Medizin / Forschung
Gen-Variationen bei ALS-Patienten identifiziert
gefunden in der Ärzte Zeitung online, 31.08.2010
Zwei Forschergruppen identifizieren Genlocci auf Chromosom 9
HELSINKI/LONDON (hub).
Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) hat genetische Ursachen.
Das gilt sowohl für die hereditäre als auch die sporadische Form - bei einem Teil der Betroffenen.
Gleich zwei Forschergruppen - eine aus Finnland, eine aus Großbritannien - haben nach möglichen genetischen Ursachen einer ALS gefahndet. Dabei wurden beide Gruppen fündig und zwar auf Chromosom 9.
Die finnische Gruppe hatte über 300 000 DNA-Variationen im Genom, sogenannte Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNP), von 405 ALS-Patienten untersucht, darunter 93 Patienten mit der hereditären und 312 mit der sporadischen ALS-Form. Ebenfalls analysiert wurde die DNA von knapp 500 Kontrollpersonen ohne ALS (Lancet neurology online). Zwei genetische Variationen wurden dabei identifiziert, die mit einem ALS-Risiko verbunden sind. Eine Variation liegt dabei im SOD1-Gen auf Chromosom 21q. Diese Variation wurde schon früher mit ALS in Zusammenhang gebracht. Die andere identifizierte Variation liegt auf Chromosom 9p. Eine oder beide dieser Variationen wurden bei mehr als 70 Prozent der Patienten mit der familiären ALS-Form in Finnland gefunden. Auf dem Chromosom wurden zudem weitere 42 SNPs entdeckt, die bei 44 Prozent der Patienten mit hereditärer ALS und 19 Prozent bei jenen mit sporadischer ALS vorkommen.
Die britischen Forscher nahmen molekularbiologische Analysen von 599 Patienten mit sporadischer ALS und über 4000 Kontrollpersonen vor. Sie identifizierten Chromosom 9p21.2 als Lokus (Lancet neurology online). Dieser Lokus wurde bereits im Zusammenhang mit Demenzen des temporalen Frontallappens in Zusammenhang gebracht.
Mechanismus bei ALS-Pathogenese entdeckt
gefunden in der Ärzte Zeitung online, 7.3.2011
Mechanismus bei ALS-Pathogenese entdeckt Bei amyotropher Lateralsklerose aggregiert Protein des Zellkerns im Zytoplasma SAN DIEGO (hub).
Der Verlust eines Schlüsselproteins verstärkt den Niedergang von Neuronen bei Patienten mit amyotropher Lateralsklerose (ALS). Das Protein reguliert im Zellkern die Menge an RNA. Bei den meisten ALS-Patienten akkumuliert dieses Protein, TDP-43 genannt, im Zytoplasma der Zelle.
Die Folge: Das Eiweiß kann im Zellkern nicht mehr seine natürliche Funktion erfüllen, teilt die Universität von Kalifornien mit. Forscher der Uni haben mit Hilfe eines Mausmodells jetzt mehrere Entdeckungen gemacht. In einer genomweiten RNA-Bindungsstudie haben sie herausgefunden, dass mehr als ein Drittel aller Gene im Maushirn Ziele von TDP-43 sind. Diese Gene werden also durch die Anwesenheit oder Abwesenheit des Proteins beeinflusst.
Die meisten Gene wiederum, die von TDP-43 beeinflusst werden, haben sehr lange Introns mit einer Reihe von Bindungsstellen für TDP-43. Introns sind DNA-Abschnitte, die nicht für Proteine kodieren. Sie werden bei der Synthese der Messenger-RNA (mRNA) entfernt, heraus gespliced. In diesen Splicingprozess kann TDP-43 eingreifen.
Die Forscher fanden zudem heraus, dass TDP-43 dies auch bei der Prozessierung der mRNA macht. Aus dem ursprünglichen Transkript können durch sogenanntes alternatives Splicing unterschiedliche mRNAs für unterschiedliche Proteine generiert werden. So wird letztlich Platz auf der DNA gespart. Auch dieses alternative Splicing wird von TDP-43 beeinflusst. Das Protein reguliert seine Synthese sogar selbst, indem es in sein eigenes alternatives Splicing eingreift. Der Verlust von TDP-43 im Zellkern im Mausmodell führt zum Verlust dieser Autoregulation, wodurch sich mehr und mehr TDP-43 im Zytoplasma ansammelt.
Dieser Mechanismus bestehe bei der ALS und auch der Pathogenese weiterer neurodegenerativer Erkrankungen, wie der frontotemporalen Demenz, bei der Nervenzellen zunächst im Stirn- und Schläfenbereich (Fronto-Temporal-Lappen) abgebaut werden. Die Forscher wollen jetzt entschlüsseln, welche TDP-43-Bindungsstellen für Beginn und Progression einer ALS bedeutend sind. Letztlich könne hier die Chance für neue Arzneimittel und Therapieansätze liegen, hoffen die US-Forscher.
ALS behandeln - Forscher arbeiten an zwölf neuen Wirkstoffen
gefunden in der Netzeitung 22.10.2012
ALS gehört bisher zu den unheilbaren Krankheiten. Wer davon betroffen ist, verliert mit der Zeit immer mehr die Kontrolle über die eigenen Muskeln. Es handelt sich dabei um einen fortschreitenden Schaden im motorischen Nervensystem. Die Neuronen dort werden angegriffen und schrittweise zerstört, bis immer mehr Bewegungen unmöglich werden. Die Beschädigung der Atemmuskulatur führt zum Tod.
Bisher kann man das Leben der Patienten nicht retten, doch Forscher arbeiten aktuell direkt an zwölf neuen Wirkstoffen. Am Max-Planck-Institut konnte man gleich so viele finden, da die Biomediziner vor Ort mit einem neuen Verfahren gearbeitet haben. Die Krankheit wurde im Labor simuliert und dann mit den Stoffen in Kontakt gebracht. Diese Technik ermöglichte es ihnen, dass sie aus tausenden bekannten Chemikalien die Verbindungen isolieren konnten, die das nötige Medikamentenpotential haben.
In den ersten Versuchen im Labor waren diese chemischen Substanzen auch schon wirksam. Man brachte sie mit erkrankten Nervenzellen in Kontakt und konnte diese tatsächlich retten. Allerdings wollen die Forscher allen Betroffenen auch nicht zu viel Hoffnung machen.
Die Wirkstoffe befinden sich noch in den frühesten Testphasen. Das bedeutet, dass noch viele Experimente ausstehen und auch danach erst einmal Studien gestartet werden müssen. Die genaue Wirkung auf den Körper und eventuelle Nebenwirkungen müssen intensiv erforscht werden, bevor es ein Medikament gibt.
Forscherteam zeigt, dass neurodegenerative Erkrankungen von mehreren Proteinen verursacht werden
Unheilvolles Zusammenspiel zerstört Nervenzellen
gefunden in der netzeitung
11.12.2012 13:18
Forscherteam zeigt, dass neurodegenerative Erkrankungen von mehreren Proteinen verursacht werden
Viele neurodegenerative Erkrankungen entstehen durch die vermehrte Ablagerung von Eiweißmolekülen im Gehirn. Das gilt auch für die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), bei der Nervenzellen absterben, die die Muskelbewegung steuern. Zerstört werden sie unter anderem durch Anhäufungen des Proteins SOD1 (Superoxiddismutase 1). Die genauen molekularen Mechanismen, die zu diesen Ablagerungen führen, sind jedoch noch weitgehend unbekannt. Ein portugiesisch-deutsch-schwedisches Team hat nun herausgefunden, dass wahrscheinlich ein weiteres Protein an der Entstehung dieser Anhäufungen beteiligt ist.
Da dieses Protein mit der Bezeichnung S100A6 im Gehirn von ALS-Patienten stark erhöht auftritt, lag der Verdacht nahe, dass es die Ablagerungen dort mitverursacht. Tatsächlich konnten die Forscher unter der Leitung von Dr. Cláudio Gomes, Instituto de Tecnologia Química e Biológica (ITQB) in Lissabon, und PD Dr. Günter Fritz, Heisenberg-Stipendiat in der Abteilung für Neuropathologie des Universitätsklinikums Freiburg, im Reagenzglas zeigen, dass S100A6 wie SOD1 Amyloidablagerungen bildet und diese selbst in geringen Mengen die Entstehung von SOD1-Ablagerungen enorm beschleunigen. Darüber hinaus führten die im Reagenzglas gebildeten S100A6-Aggregate zum vorzeitigen Absterben von Nervenzellen in Kultur, was die Beteiligung von S100A6 an der Entstehung von ALS betont. Über diese Ergebnisse berichtet das angesehene Journal of Biological Chemistry in seiner aktuellen Ausgabe.
Titel der Originalveröffentlichung: S100A6 amyloid fibril formation is calciummodulated and enhances superoxide dismutase-1 (SOD1) aggregation